Max-Mannheimer-Kulturtage 2020 in Bad Aibling


Zu einem viel beachteten Leuchtturm-Projekt in der Region entwickeln sich die Max-Mannheimer-Kulturtage  Bad Aibling. Ein lebendiger Dialog und Austausch unter dem Motto #MiteinanderErinnern wird auch 2020 die vielfältige Veranstaltungsreihe begleiten, die mit einer Zusatzveranstaltung am 10. März beendet wird. Die Aufforderung „Denkt dran, Kinder: Nie wieder Krieg!“ von Heinrich Böll, Literaturnobelpreisträger von 1972, umkreist und verbindet 75 Jahre nach der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus die einzelnen Veranstaltungen miteinander:

Eröffnet wird der vielfältige Veranstaltungsreigen, der 2020 von Stadt Bad Aibling, Stadtbücherei, Volkshochschule und den Bad Aiblinger Vereinen wie Kunstverein, Mut & Courage, Kreis Migration, Historischer Verein, zusammen mit der Katholischen und Evangelischen Kirchengemeinde sowie dem Gymnasium Bad Aibling organisiert wird, am Freitag, 24. Januar 2020 mit der Filmvorführung Der weiße Rabe von Carolin Otto, zum 100. Geburtstag von Max Mannheimer. 

Bereits am darauffolgenden Tag, am Samstag, 25. Januar 2020 wird die Eröffnung der Kulturtage mit der Vernissage der Ausstellung Im Krieg sagtest Du einmal … des belgischen Fotokünstlers Eddie Bonesire fortgesetzt. Bis zum 9. Februar 2020 kann die Ausstellung in der Galerie des Kunstvereins Altes Feuerwehrgerätehaus jeweils samstags und sonntags von 14.00 bis 18.00 Uhr besucht werden. Die Ausstellung erzählt von einfachen Menschen im Krieg, von Ängsten und Nöten, aber auch von Hoffnung und Leidenschaft. Kernstück der Ausstellung bilden die Fotoalben einer Familie aus der Eifel während des Zweiten Weltkrieges, die Eddie Bonesire mit eigenen Fotografien von Landschaften aus der Region sowie mit eigenen Texten und Auszügen aus Werken von Autoren verschiedener Epochen ergänzt hat. 

Bereichert wird das Eröffnungswochenende erstmals mit einem gemeinsamen Nachtgebet am späten Abend, ebenfalls am Samstag, 25. Januar 2020 in der St. Sebastian Kirche. Die katholische und evangelische Kirchengemeinde Bad Aibling laden jeweils zur Eröffnung und zum Ende der Kulturtage zum stillen Innehalten und Verweilen ein. Mit Schweigen und hören, die Welt ins Gebet nehmen und gesegnet in die Nacht gehen, so der begleitende Gedanke der ökumenischen Nachtgebete während der Max-Mannheimer-Kulturtage. 

Das Programm der Kulturtage 2020 im Überblick.
(Plakatmotiv, Foto von Eddie Bonesire)

Das renommierte Autoren-Paar, Eva Gruberová und Helmut Zeller, wird am Dienstag, 28. Januar 2020 in einer gemeinsamen Autorenlesung in der Stadtbücherei ihr Buch Geboren im KZ dem Publikum vorstellen. In dem Buch erzählen sie die unglaubliche Geschichte von Eva und Miriam, zwei jüdischen Müttern, die verschiedene Konzentrationslager durch viele glückliche Zufälle überleben konnten. 

Mit dem Besuch des Schriftstellers Norbert Scheuer am Samstag, 1. Februar 2020 in der Galerie Altes Feuerwehrgerätehaus dürfen die Organisatoren der Kulturtage einen ganz besonderen literarischen Gast in Bad Aibling begrüßen: Für seinen Bestseller Winterbienen war Norbert Scheuer für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert und wurde mit dem Wilhelm-Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet. Norbert Scheuer nimmt seine Zuhörer ebenfalls mit in die Eifel: Mit großer Intensität erzählt er in seinen Winterbienen einfühlsam, präzise und spannend von einer Welt, die geprägt ist von Zerstörung und dem Wunsch nach einer friedlichen Zukunft.

Bei der Präsentation des Butterfly-Projects am Dienstag, 4. Februar 2020 im Lindners Stadl stellt der Verein Mut & Courage 75 Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz ein weltweites Erinnerungsprojekt vor: Ein Keramik-Schmetterling zur Erinnerung an jedes der 1,5 Millionen Kinder, die im Holocaust getötet wurden. Das Butterfly-Projekt verbindet kreatives Gestalten mit geschichtlicher Bildung und macht inzwischen bundesweit „Schule“. Schmetterlinge gegen das Vergessen – ein Schulprojekt, das besonders für die 5. bis 7. Jahrgangsstufen zu empfehlen ist. An diesem Abend können sich interessierte Lehrende ausführlich über diese kreative Möglichkeit der Erinnerungsarbeit informieren. 

Am Mittwoch, 5. Februar 2020 wird Ellen Presser, Leiterin des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, mit ihrem Vortrag Jüdisches Leben heute in die Volkshochschule nach Bad Aibling kommen. Jüdische Gemeinden und Restaurants, Synagogen, Kunst und Traditionen bereichern unsere Gesellschaft seit langem. Doch wie ist die Befindlichkeit von Juden in Deutschland heute?

Der Historische Verein Bad Aibling lädt im Rahmen der Kulturtage am Samstag, 8. Februar 2020 zu einer Exkursion nach Steinhöring ein. In Zusammenarbeit mit dem Einrichtungsverbund Steinhöring findet ein Rundgang auf dem Gelände mit Erläuterungen der Historikerin Anna Bräsel statt, welche die Geschichte Steinhörings in der NS-Zeit beleuchtet: Auf dem Gelände wurde das erste „Lebensborn“-Heim errichtet, das Teil der rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten war. Frauen und Männer, Mitglieder der SS, die dem arischen Idealbild entsprachen, sollten gemeinsam Kinder für den Führer zeugen. Während in Steinhöring linientreue Frauen bei der Geburt ihres Kindes unterstützt und völkisch gebildet wurden, wurden Menschen mit Behinderung aus den benachbarten Einrichtungen im Rahmen der T4 Aktion ermordet.

Als Finissage der Ausstellung Im Krieg sagtest Du einmal … stellt Michael Stacheder am Sonntag, 9. Februar 2020 in einer literarischen Matinée Texte und Erzählungen des großen Heinrich Böll in den Mittelpunkt der Max-Mannheimer-Kulturtage 2020. Heinrich Böll, für den zeitlebens die Freiheit im Kopf begann und der 1972 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, gilt bis heute als einer der bedeutendsten Schriftsteller und Intellektuellen der Nachkriegszeit. Kritisch setzte er sich mit der jungen Bundesrepublik auseinander und thematisierte in seinen Werken den Nationalsozialismus und dessen Folgen. Was haben uns die Texte Heinrich Bölls heute zu sagen? Michael Stacheder stellt unter dem verbindenden Gedanken der Kulturtage „Denkt dran, Kinder: Nie wieder Krieg!“ bekannte und weniger bekannte Werke Heinrich Bölls gegenüber.
Im Anschluss an die Böll-Lesung in der Galerie Altes Feuerwehrgerätehaus sind die Zuhörer vom Verein Kreis Migration/Café Friends und Michael Stacheder zu einem besonderen Publikumsgespräch ins Evangelische Gemeindehaus eingeladen. Bei einem Tischgespräch besteht die Möglichkeit, bei einem gemeinsamen kleinen Essen und im Dialog seine Gedanken zu vertiefen und auszutauschen: ausgehend von den vorgestellten Erzählungen und Reden Heinrich Bölls und seinen Aufzeichnungen in den Kriegstagebüchern von 1943 bis 1945. 

Schriftsteller Heinrich Böll, 1917-1985, Literaturnobelpreisträger 1972
© Ullstein-Bild, Sven Simon

Menschenverachtung auf der Straße, bei der Arbeit, in staatlichen oder zivilgesellschaftlichen Institutionen – oft erscheinen sie als „Einzelfälle“ und sind kurz darauf vergessen. Einmal sind es flüchtig hingeworfene Sätze, ein anderes Mal verfestigte Vorurteile. Ein jedes Mal sind wir aufgefordert, darauf zu reagieren. Der Workshop Den Menschen im Blick am Mittwoch, 12. Februar 2020 mit Dr. Britta Schellenberg im Evangelischen Gemeindehaus beleuchtet Eigen- und Fremdbilder kritisch und legt gewohnte Denkweisen offen. Dabei wird nicht nur fachlich diskutiert, sondern auch gespielt und erkundet. Der kritische Blick gilt der eigenen Biografie und der Umwelt: Wo bewege ich mich? Wie handele ich? Und: Wer bin ich? So werden Ziele und andere Strategien in der Auseinandersetzung mit Diskriminierung erarbeitet.

Am Samstag, 15. Februar 2020 organisiert Mut & Courage Bad Aibling e.V. ein Respekt!-Konzert mit dem gefeierten Duo Frangipani & Friends: Sie lassen mit sinnlichen Jiddischen Klezmer und Weltmusik aus Spanien, Südosteuropa und Südamerika die Max-Mannheimer-Kulturtage 2020 im Evangelischen Gemeindehaus noch einen musikalischen Höhepunkt erleben, bevor ein weiteres Nachtgebet in der evangelischen Christuskirche die Kulturtage ausklingen lässt. Das Team von Café Friends sorgt während des Konzerts für eine kleine Verköstigung und für Getränke. 

Duo Frangipani

In Zusammenarbeit mit dem Gymnasium Bad Aibling findet am Dienstag, 10. März 2020 eine Zusatzveranstaltung im Rahmen der Kulturtage statt: „Ich hatte Glück, ich habe überlebt“ – Aus dem Theresienstädter Tagebuch von Helga Pollak-Kinsky 1943-1944. Michael Stacheder wird aus dem Tagebuch von Helga Pollak-Kinsky lesen, die als Kind hilflos Willkür, Missachtung und Einsamkeit im KZ-Theresienstadt erfahren hat. Musikalisch begleitet wird der Abend mit jiddische Liedern und Liedern aus der Kinderoper Brundibár, komponiert in Theresienstadt. Es singen die Schüler des Mittelstufenchors des Gymnasiums unter Leitung von Susanne Tutert.  

Begleitend zum Programm der Max-Mannheimer-Kulturtage 2020 werden wieder für die 9.-11. Jahrgangsstufen der bayerischen Gymnasien, Real- und Mittelschulen Lesungen aus Max Mannheimers Spätes Tagebuch angeboten. 

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